7Mai
2006

Tage wie dieser

Die Kastanie steht in voller Blüte. Die frisch beblätterten Pappeln geben wieder ihr entspanntes Hintergrundrauschen ab.
EuroTower-0506
Mit frischen Grün und Blüten ist die Höhle umgeben. Sanfte Winde wehen um ihren Eingang und bringen in Böen den Duft von Gegrillten vorbei. Die Sonne verbreitet rund herum eine milde Wärme.

Genau so, könnten die Tage gern öfters sein.

Normalität (30 days - 5)


Kitty’s Frühstück ist Klasse. Natürlich gibt es - wie von mir sehr geschätzt - „Ham and Eggs“. Was würde man auch schon Anderes in diesem Teil der Welt erwarten? Jedenfalls keine selbst gebackenen Brötchen, die beim Hineinbeißen tatsächlich einen angenehmen Bisswiderstand bieten und gemeinsam mit der Waldbeerenmarmelade eine Köstlichkeit sind. Und sicher keinen frisch gebrühten Bohnenkaffee. Aber genau das finde ich auf den liebevoll gedeckten Frühstückstisch, als ich den Gemeinschaftsraum betrat. Kitty fragt mich, ob ich gut geschlafen habe. Ja, das habe ich, wie ein Stein, wie ein rollender Stein, denn die stundelange Fahrt auf der Schotterpiste des gestrigen Tages hat mich noch im Traum begleitet. Ich lobe ihr Frühstück mit Begeisterung und merke, dass sie sich darüber wirklich freut. Mir scheint, sie wird sogar ein wenig rot. Sie verabschiedet sich, um Einkaufen zu gehen. Ich schmökere ausgiebig in dem abgegriffenen „Lonely Planet“ und die Route für die nächsten Tage nimmt Konturen an. Über Alaska- und Cassier-Highway nach Prince Rupert, dann mit der Fähre via Inside Passage nach Süden. So könnte ich es vielleicht in drei oder vier Tagen in mein geliebtes Vancouver schaffe.

Nach dem Frühstück begebe ich mich in den Ort. Dawson City ist wie eine angelsächsische Kleinstadt, deren nächste Nachbargemeinde ein paar hundert Kilometer entfernt ist, eben so ist, nämlich verschlafen. Ich merke wie mich das ein oder andere neugierige Augenpaar verfolgt. Natürlich sind fremde Gesichter hier nichts Ungewöhnliches, dafür lebt der Ort zu sehr vom Tourismus, aber die Saison hat noch lange nicht angefangen und daher falle ich auf. Womöglich hält man mich für einen dieser vereinzelten, von Nostalgie besessenen Irren, die auch heute noch hier herkommen und ernsthaft in den Flüssen und Bächen nach Gold suchen. Am Busbahnhof erfahre ich, dass am Abend ein Bus Richtung Süden losfährt. Das gefällt mir, so kann ich im Schlaf nach Watson Lake kommen. Weniger gefällt mir, dass zwischen Watson Lake und Prince Rupert kein Bus verkehrt. Wenn ich an meinen gerade gefassten Plan festhalten will, muss ich entweder ein Auto mieten oder eines der privaten Reisebüros in Anspruch nehmen.

Ich besuche das Klondike Museum. An Wandtafeln lässt sich die Geschichte des großen Goldrausches nachlesen. Ausgestellt sind alte Schürfwerkzeuge, Schaufensterpuppen sind mit der typischen Kleidung der Goldsucher ausstaffiert und in einer beleuchteten Glasvitrine ist etwas Goldstaub zu bewundern. Das originellste Exponat ist der Museumswärter. Der sitzt auf einen Schemel neben dem Eingang und kratzt sich rhythmisch zwischen den Beinen. Diesen konditionierten Griff an seine Eier stellte er auch nicht ein, als ich mich beim Gehen auf einen fünfminütigen Smalltalk mit ihm einlasse.

Ich geh zurück zu „Kitty’s“. Die Hausherrin ist auch zurück. Sie befragt mich jetzt nach der Notlandung in Inuvic und will wissen, was bei dem Unglück passiert ist. Ich schildere ihr meine Ankunft auf dem amerikanischen Kontinent und erzähle auch von meinen Plan, nach Prince Rupert fahren zu wollen. Es wundert mich fast gar nicht, dass sie einen gewissen Pat in Watson Lake kennt, der zum Wochenende immer geschäftlich nach Stewart fährt. Ich könne bestimmt mit ihm fahren. Das ist typisch für dieses weite Land. Die Menschen leben Hunderte von Kilometer voneinander entfernt und trotzdem existiert ein festgeknüpftes Beziehungsgeflecht. Bevor ich diese neue, sehr praktische Reiseofferte selbst realisiert habe, ist Kitty schon am Telefon. Ich werde dann eigentlich nur noch davon in Kenntnis gesetzt, dass mich Pat morgen früh um halb sieben an der Busstation in Watson Lake empfangen wird und ich dann mit ihm nach Stewart fahren werde. Stewart ist von Prince Rupert etwa 150 Kilometer entfernt, was in diesem Land nicht mehr als ein Katzensprung ist.

Acht Stunden später sitze ich im Greyhound, der auf dem Alaska Highway nach Süden fährt. Gerade neun Reisende verlieren sich in dem dicken Gefährt. Langsam setzt die Dämmerung ein. Ich schaue aus dem Fenster und lasse den Ausblick wie einen monumentalen Film, der mich vollständig gefangen nimmt, auf mich wirken. Breite Täler, wilde Flussläufe und im Hintergrund teils schneebedeckte Gebirgsketten. In meinen Gedanken wiederholen sich die letzten zweieinhalb Tage. Das ich erst zweieinhalb Tage auf Tour bin, kommt mir eigenartig vor. Mir ist, als wäre ich schon viel länger unterwegs. Der Rhythmus Fahrt, Ortswechsel, neue Unterkunft und neue Eindrücke erscheint mir unglaublich normal, geradezu als wäre es eine selbstverständliche Alltäglichkeit. Sogar diese Landung in Inuvic empfindet die innerliche Nachbetrachtung so gar nicht ungewöhnlich. Ich bin vollkommen in meiner Reisenormalität angekommen.
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ライブチャット 素人 Very pleasant time…
ライブチャット 素人 (Gast) - 6. Dez, 03:25
Sollte es zur Frauen-WM...
Sollte es zur Frauen-WM nicht auch ein Volksfest geben?...
Oliver (Gast) - 14. Aug, 11:46
Ente gut, alles gut...
...so sieht's aus. Ein paar Bilder aus'm Schlachthof...
heldentenor - 16. Sep, 17:43
ich glaube, dies ist...
ich glaube, dies ist ein veganerblog hier. gestern...
rosmarin - 31. Jul, 19:52
ok.... ich hab in meiner...
ok.... ich hab in meiner verzweiflung versucht, in...
rosmarin - 23. Jul, 01:05
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