8Mai
2006

Ein Konzertabend

„Du bist eine Ausnahme unter den Männern“, sagt das Reh grinsend. Ich werde stutzig, was kommt denn nun? Sicherlich habe ich nichts dagegen eine Ausnahme sein, im Allgemeinen bin ich lieber Ausnahme als Massenware, aber dieses freche Lächeln verrät, dass sie ein wenig provozieren will. „Wieso?“ „Im Spiegel steht, dass sich normaler Weise Männer dümmere Frauen suchen.“, erläutert sie süffisant. „Aha, und Du bist mir geistig also hoch überlegen?“ „Ich komme jedenfalls nicht auf die bescheuerte Idee, Tickets für Konzerte zu kaufen, bei denen ich den Alterspräsidenten abgebe.“

Wir sind gerade auf dem Weg zum Konzert von Silbermond. Sachlich erkläre ich, dass Silbermond eine ordentliche Rockmusik macht, bodenständig und zeitlos, dass die Sängerin eine gute Stimme hat und dass das Rosenstolz Konzert letzte Woche auch eine generationsübergreifende Veranstaltung gewesen sei. Dann stelle ich meine sachlichen Ausführungen ein, da wir in diesem Moment die Kolonnen von Jugendlichen erblicken, die vor der Halle anstehen. Sie grinst, ich grunze. Wir ziehen an der langen Schlange vorbei, um das Ende zu erreichen. „Da ist noch einer mit grauen Haaren“, stichelt sie weiter. „Da oben auf Deiner Matte sind auch eindeutig graue Haare“, pariere ich. „Die habe ich von Dir!“ Tatsächlich ist festzustellen, dass der Anteil von Ü30 oder gar Ü40 bei dieser Veranstaltung doch eher niedrig ausfällt und die Hälfte der Dazugehörigen offensichtlich die Begleitung zwölfjähriger oder noch jüngerer Mädchen sind.

Nach 25 Minuten Anstellen sind wir in der Halle. Das Reh stellt sich in die obligatorische Reihe vor den Damenklo, ich kaufe Getränke. Als sie wiederkommt erzählt sie, dass sie normaler Weise zu den kleineren Frauen auf dem Klo gehöre, dies aber heute nicht der Fall sei. Wir trinken unsere Getränke, schauen uns im Foyer um und sind tatsächlich gemeinsam der Meinung, dass das ein schöner Veranstaltungsort ist. Anschließend finden wir Plätze mit ganz guter Sicht auf der Empore.

Zunächst spielt eine Vorgruppe von 20-Jährigen aus Mainz. „Ähh, wir spielen geilen lauten Punkrock … ehhh, ist das geil das wir hier sind … ist das geil, dass ihr hier seit … oh, wir sind so geil“, eröffnet der Leadsänger, der einen Kopf kleiner als Bassist und Gitarrist neben ihm ist, den Auftritt. Der Typ kann weder singen noch tanzen und seine permanenten Bocksprünge wirken mit den weiten, knielangen Shorts und dem T-Shirt, was über den deutlichen Bauchansatz spannt, eher putzig als cool. Die Vorgruppe spielt etwa eine halbe Stunde, einmal singt der Bassist, der das deutlich besser kann als sein Frontmann, der sich wiederum mit hohlen Sprüchen zwischen den Stücken in Szene setzt. Das scheint aber keine Rolle zu spielen, der Saal jubelt. Am Ende bedauert er noch fünf Minuten, dass sie jetzt diesen „geilen Auftritt“ beenden müssen.

Bei den ersten Takten, die Silbermond anspielen, habe ich das Gefühl aus dem Saal geblasen zu werden. Sie habe die Anlage auf eine deutlich höhere Phonstärke als die Vorgruppe eingestellt. Und die waren schon laut. Das Publikum ist begeistert. Das Reh sucht Tempotaschentücher, um irgendwas Schützendes in die Ohren zu stecken. Nach zwei Stücken geht sie in das Foyer. Ich folge ihr nach weiteren zwei Stücken. Wir sind dort nicht allein, die Empfindlichkeit unserer Ohren scheint keine totale Ausnahme zu sein. Wir trinken an der Theke ein Bier und schwätzen. Die Musik ist auch hier deutlich zu hören. Die Anlage ist leider zu übersteuert, um die Stimme von Stefanie Kloß gut rüberzubringen. Vor zwanzig Jahren hätte ich mich das tierisch geärgert. Ich gehe zwischendurch noch zweimal für eine gute Viertelstunde in den Saal, um ein paar Eindrücke von der Stimmung und der Bühnenshow zu sammeln. Die meiste Zeit bleiben wir aber an der Theke, so dass sich der Konzertbesuch wie ein gemütlicher Kneipenabend gestaltet.

Auf dem Heimweg ist die Luft noch so mild, dass ich bei einer Eisdiele eine Tüte hole. Ich denke laut darüber nach, ob ich als nächstes Karten für „Wir sind Helden“ oder doch die guten alten Jungs von „BAP“ bestellen sollte. Das Reh grinst wieder und macht eine unqualifizierte Bemerkung über eingeschränkte Lernfähigkeit. Irgendwie war der Abend vielleicht anders als erwartet, aber irgendwie war es ein netter Abend zu Zweit.
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ライブチャット 素人 Very pleasant time…
ライブチャット 素人 (Gast) - 6. Dez, 03:25
Sollte es zur Frauen-WM...
Sollte es zur Frauen-WM nicht auch ein Volksfest geben?...
Oliver (Gast) - 14. Aug, 11:46
Ente gut, alles gut...
...so sieht's aus. Ein paar Bilder aus'm Schlachthof...
heldentenor - 16. Sep, 17:43
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ich glaube, dies ist ein veganerblog hier. gestern...
rosmarin - 31. Jul, 19:52
ok.... ich hab in meiner...
ok.... ich hab in meiner verzweiflung versucht, in...
rosmarin - 23. Jul, 01:05
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