14Jul
2006

Fundgrube Keller

17:35 Uhr, ich schließe die Wohnungstür auf. Relativ früh für einen Tag im Büro, aber ich habe schon kurz nach 16:30 Uhr Schluss gemacht. Ich bekam in dem heißen, stickigen Büro sowieso nichts Produktives mehr zusammen, also habe ich eine halbe Stunde früher als geplant den Feierabend eingeläutet.

Ich fühle mich müde und schlapp, weniger körperlich als mental, bin innerlich bewegt, teils von mir selbst genervt. Ich lege mich einfach auf’s Bett und schlafe kurz ein. Ein Donnern weckt mich eine Viertelstunde später. Der Nachbarssohn bolzt gegen die Garagentür. Ich bin kurz total verwirrt, denke für einen Moment, ich hätte den Zug, den ich morgen früh kurz nach Sieben nehmen will, verpasst. Das wäre richtig Bullshit. Ich schleppe mich zur Kaffeemaschine und setze zwei Tassen auf. Der Schädel zwischen meinen Schultern belebt sich.

Meine Gedanken beginnen zu rotieren. Das Hirn spult ab, was ich noch Alles an diesem Abend erledigen will. Bett abziehen, Bettwäsche waschen, Putzen, die Wohnung sieht wieder einmal ziemlich mies aus, Liegengebliebenes wegräumen, in welchem Raum anfangen, für eine Stunde hinüber zum Sport in die Muckibude rennen, womöglich noch zwei politische Diskussionspapiere verfassen, Sachen für den Wochenendausflug packen, ach ja, mit X und Y wollte ich ja auch schon seit Wochen telefonieren und am Geldautomaten sollte ich auch noch vorbeigehen.

Ich hole den Staubsauger aus der Ecke, wende mich dann aber erstmal dem Bett zu, ziehe zwei Kissen und eine Decke ab, unterbreche diese Tätigkeit, um auf Toilette zu gehen. Im Bad fallen mir die beiden Wäschetonnen ins Auge und ich durchwühle sie, um zu sehen, was ich mit der Bettwäsche waschen kann. Ich suche den Wäschekorb. Den finde ich im Wohnzimmer noch gefüllt mit den letzten gewaschenen T-Shirts. Ich sortiere den Inhalt des Korbs in den Kleiderschrank und suche mir bei der Gelegenheit Stücke für die nächsten zwei Tage heraus. Ich bin auf eine Hochzeit eingeladen. Was nehme ich da mit? Eins von den noch ungetragenen Hemden oder doch lieber eines von den schon eingeführten Favoriten. Rot oder blau. Stecke ich eine Krawatte ein? Bei diesen Temperaturen eigentlich totaler Schwachsinn, aber so was nimmt ja keinen Platz weg. Hose? Eigentlich könnte ich bei der Gelegenheit die Schuhe tragen, die ich vor zwei Monaten gekauft habe. Die müssen aber noch imprägniert werden. Ich lege letztendlich zwei Hemden, zwei T-Shirts und eine Hose bereit. Als Nächstes gewinnen verschiedenste Zeitungsstapel meine Aufmerksamkeit. Drei Ausgaben der Zeit sind äquidistant in Küche, Wohnzimmer und Arbeitszimmer verteilt. Ich sortiere sie durch. Der größte Teil wandert in das Altpapier. Auf dem Schuhschrank im Flur finde ich auch noch Teile der Zeit, ferner noch irgendwelche Prospekte und Fahrpläne. Auch das wird in die Altpapierkiste verlagert. Was wollte ich doch eigentlich machen? Saugen und Wäsche? Ich ziehe also die zweite Bettdecke ab, fülle endlich den Wäschekorb und gehe in die Waschküche.

Als ich auf den Weg in die Waschküche an der Kellertür vorbeikomme, geht mir durch den Kopf, dass ich schon lange meine Geburtsurkunde und alte Zeugnisse vermisse. Der Gedanke begleitet mich schon länger. Jetzt habe ich ihn aber da, wo ich fündig werden kann, nämlich im Keller. Ich stell die Waschmaschine an und begebe mich anschließend in den kleinen Kellerraum. Ich habe eine alte braune Herrenhandtasche im Sinn, in der ich früher alle möglichen Dinge verstaut habe. Der Keller ist voll mit Kisten. In der relativ zugänglichen Kommode finde ich nichts. Alle Kisten zu durchsuchen ist heute nicht zu schaffen.

Dennoch ich bin mittlerweile putz munter und verspüre einen unbändigen Drang wenigstens ein wenig in diesem meinem höchst persönlichen Archiven zu wühlen. Irgendwie passt das auch zu meiner momentanen extrem nachdenklichen Stimmung. In der ersten Kisten finde ich nur altes Geschirr. In einem alten Lederkoffer meiner Oma ist die Sammlung meiner Karl May Bücher. Ich bin erstaunt, wie gut sie erhalten sind. Dann entdecke ich unter einen der vorderen Kistenstapel mehrere alte Schubladen. Das sieht viel versprechend aus. Ich räume die Schubladen frei, finde gut 150 Musikkassetten, alte Pokale von Volksläufen, viele Postkarten, kleine gerahmte Bilder, die irgendwann an den Wänden meiner verschiedenen Heimstätten hingen, alte Füller, Lineale und einen Kasten mit Ölfarben. Und in der untersten Schublade liegt tatsächlich jene braune Herrenhandtasche.

Die Geburtsurkunde finde ich nicht, aber dennoch berge ich ein reiches Sammelsurium längst vergessener Begleiter. Zwei Kinderausweise, einen DB Juniorpass, Ausweise verschiedener Büchereien, den Jugend-Schwimm-Pass, einen Schüler-Sport-Ausweis und ähnliches. Ein Mitgliedsausweis der Falken ist dabei. Ich wusste gar nicht mehr, dass ich bei denen eingetreten war. Und tatsächlich liegt auch das Postsparbuch dazwischen, über deren Existenz mich die Post vor drei Jahren in Kenntnis setzte. Der letzte Eintrag datiert aus dem Jahr 1983 mit einem Saldo von 1,37 DM. Mittlerweile ist das Guthaben auf etwas über drei Euro angewachsen. Alles hat einen leicht muffeligen Geruch, aber ist letztendlich noch ganz gut erhalten.
pb-old
Beim Betrachten der Passbilder erinnere ich mich an die Kleidungsstücke, die ich dort trage. Auf einem Bild erkenne ich ein T-Shirt, auf das ich einst total abgefahren bin. Es war weiß und hatte eine Eins mit Stars-And-Stripes Muster auf der Brust. Um den Hals habe ich eines dieser Kettchen mit Sternzeichen, die mir meine Eltern ein paar Mal geschenkt haben. Wo ist nur dieses Kettchen abgeblieben? Ich weiß irgendwo in diesem Gewühl gibt es eine höchst interessante Holzkiste. In der habe ich alten Schmuck und eine Sammlung von Liebesbriefen. Aber zur weiteren Schatzsuche reicht die Zeit heute nicht mehr. Im ersten Stock wartet noch eine gute Portion Alltagschaos, dass noch ein wenig in die Schranken gewiesen werden muss. Die Herrenhandtasche nehme ich mit in die Wohnung und werde ihr ein neues Domizil geben. Und noch ein Fundstück nehme ich mit.
mumscamera
Mutters alte Kamera, die ich schon seit Jahren verwahre. Eine zeitlang habe ich damit sogar Bilder gemacht. Ein wenig ärgert es mich, dass ich sie seit dem letzten Umzug hier unten habe liegen lassen. Aber hier scheint nichts verloren zu gehen. Ich sollte demnächst wieder vorbeikommen, vielleicht finde ich dann auch meine Geburtsurkunde. Und ein wenig Ausmisten wäre vielleicht auch keine schlechte Idee.

P.S. Mit dem Sport, das wird wohl heute nichts mehr, aber ich packe noch die Joggingschuhe ein, vielleicht kann ich in so einer Heiratspause etwas laufen. Der Küchenputz ist jetzt auch auf Sonntag verschoben. Das Hochzeitsgeschenke werde ich aber noch verpacken.
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ライブチャット 素人 Very pleasant time…
ライブチャット 素人 (Gast) - 6. Dez, 03:25
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Sollte es zur Frauen-WM nicht auch ein Volksfest geben?...
Oliver (Gast) - 14. Aug, 11:46
Ente gut, alles gut...
...so sieht's aus. Ein paar Bilder aus'm Schlachthof...
heldentenor - 16. Sep, 17:43
ich glaube, dies ist...
ich glaube, dies ist ein veganerblog hier. gestern...
rosmarin - 31. Jul, 19:52
ok.... ich hab in meiner...
ok.... ich hab in meiner verzweiflung versucht, in...
rosmarin - 23. Jul, 01:05
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