14Mai
2006

Plus Eins

Das X erhöht sich um eine Einheit. Diesmal wird es schnapsstellig, vielleicht hilft das, sich die neue Zahl zu merken. In den letzten Jahren hat es immer ein paar Monate gedauert, bis ich sie auf Anfrage richtig wiedergab. Das morgendliche Gegenüber im Badezimmerspiegel hat sich nicht verändert, das war letztes Jahr und vorletztes Jahr und … auch so und trotzdem schleichen sich im Lauf der Jahre doch irgendwelche Veränderungen ein. Der Tag ist mild, frühlingshaft, die dunklen Wolken haben sich noch nicht durchgesetzt. Es ist schön, dass dieser Tag im Mai liegt. Mai ist ein guter Monat, um auf dieser Welt anzukommen. Mit Astrologie kann ich nichts anfangen, aber den Satz „Mein Sternbild ist der Stier“ mag ich, hinter Zahlen lag für mich noch nie Magie, aber die Zahl „Vierzehn“ gefällt mir. Der Tag ist mir was Besonderes, auch wenn ich ihn unauffällig gestalte. Möchte Erdbeeren essen, möchte grüne Soße essen, möchte eine Flasche Riesling öffnen, möchte Laufen, möchte den Frühling riechen, möchte viele kleine Dinge machen, die mir nahe sind, möchte so des Tages Besonderheit wahren.

13Mai
2006

Vancouver (30 days - 8)


Der Abschied von Claire war kurz. Das war die einfachste Möglichkeit, den Abschied zu gestalten. Es ist schon ein seltsames Gefühl, nach einer so geistig wie körperlich intensiven Begegnung einfach weiter zu ziehen. Es war eines dieser „über den Weg laufen“, die das Leben unvermittelt zu bieten weiß. Es war so, wie es war, hatte seine Einmaligkeit und war auf seine Art ein rundes und abgeschlossenes Aufeinandertreffen. Natürlich tauschten wir Adressen und dennoch war uns Beiden bewusst, dass diese Geschichte genauso schnell ihr Ende wie ihren Anfang geschrieben hatte. Trotzdem stand dieses Gefühl im Raum, dass zu anderer Zeit und an anderem Ort manches Kapitel hätte folgen können.

Das Wetter auf der Schiffsfahrt von Prince Rupert nach Port Hardy war gut. Ein frischer und sonniger Frühlingstag, ideal für die „Inside Passage“. Die Fähre war nur halb gefüllt, so dass es an Bord nicht so unruhig und hektisch wie in den Sommermonaten, wenn die Karawanen von Reisegruppen kommen, war. Gleichmäßig schob sich die Fähre durch das Insellabyrinth vor dem Festland. Ich hatte mir einen Liegestuhl auf dem Vorderdeck gesucht und mich mit einem dicken Fliespullover und einer Decke vor dem kühlen Fahrtwind geschützt. Nach der letzten Nacht fiel ich manchmal in einen kurzen Schlaf. Berge, Inseln, Gletscher, Wälder und Wasserfälle zogen in immer neuen Varianten vorbei. Ein Pulk von Möwen bildete die Luftbegleitung. Mehrfach zog eine Delphinfamilie vorbei. Schön, wenn sie mit der ihnen eigenen Auf- und Abwärtsbewegung durch das Wasser gleiten. „Swim with the delfins“, ging mir der Slogan eines Plakats durch den Sinn, dass ich im Hafen gesehen hatte und im nächsten Moment mutierte der Satz zu „Swim with Claire“. Die Bilder der vergangen Nacht mischten sich immer wieder mit den Eindrücken der umgebenden Natur. So träumte und guckte ich mich die gesamte Fahrt über nach Süden.

Die Fähre kam in Port Hardy spät im Dunkeln an. Ich entschloss mich, auf dem Zeltplatz in der Nähe des Anlegers zu übernachten. Im neonbeleuchteten und von Mücken umschwärmten Empfangshäuschen, teilte mir der Pächter verschlafen mit, dass ich einfach irgendwo mein Zelt aufbauen könnte. Ich war fast ein bisschen stolz, dass es mir gelang, das Iglu ohne Probleme schnell aufzuspannen, hatte ich mich doch lange nicht mehr dieser technischen Herausforderung gestellt. Am nächsten Morgen war ich überrascht, wie gut der Campground belegt war. Viele Dauergäste mit ihren Caravans und Motorhomes waren da, oft Holzfäller und ihre Familien, die im nördlichen Teil von Vancouver Island saisonal arbeiten. Einige der Gäste schienen ständig hier zu leben. Die leicht herbe Atmosphäre, geprägt von Männern in Untenhemden, Wäscheleinen und Satellitenschüsseln ist vergleichbar der von Vorstadtsiedlungen mit weniger guten Ruf. Ich hatte keine Lust erst den Trangia Kocher aufzubauen und anzuwerfen, deswegen bin zum Zentralgebäude des Platzes, um einen ersten Kaffee zu trinken. Ein Frühstück hätte ich dort bekommen können, aber mir war nach einem Hauch Gemütlichkeit und ich bin die Straße bis in den Ort gelaufen. In einer Bäckerei, die mit „German Bread“ warb, war eine Sitzecke mit zwei Tischen eingerichtet. Zu den großzügig belegten Sandwichs, die tatsächlich beim Hineinbeißen einen gewohnten Widerstand bot, gab es nicht P&Gs Instant-Folgers, sondern richtig guten Filterkaffee.

Gegenüber war ein Friseur. Da ich noch etwas Zeit bis zur Abfahrt des Busses hatte, überlegte ich, ob ich die Gelegenheit nutzen sollte. Ich war mir nicht ganz schlüssig. Eigentlich kann man bei meinem Haarbestand nicht viel falsch machen, anderseits war da die Erinnerung an diese Friseuse in einem österreichischen Alpental, die fast nur mit Gewalt davon abzubringen war, mir so einen Hitlerjungenscheitel zu verpassen. Nichtsdestotrotz ging ich hinüber. Der Laden war sehr klein und seine Einrichtung hatte fast einen musealen Charakter. Es sah so aus, als hätte sich in den letzten 50 Jahren nichts geändert. Ein Mann indianischer Abstammung lächelte mich freundlich an und forderte mich auf, in einen der beiden Kunstledersitze Platz nehmen. Ich warf noch einen skeptischen Blick auf den altertümlichen Elektrohaarschneider in seiner Hand und schon begann er – ohne weitere Nachfrage – seines Amtes zu walten. Zehn Minuten später waren meine Haare zwei Zentimeter kürzer und ich musste eingestehen, dass er mit seinem Arbeitsgerät geschickter umgehen konnte, als ich das erwartet hatte.

Mittlerweile habe ich weitere neun Stunden Transport hinter mir, bis Nanaimo per Bus, anschließend mit einer Fähre zurück zum Festland und erneut mit dem Bus hinein in das Herz einer der schönsten Städte dieser Welt. Vancouver. Exakt mit einer Woche Verspätung habe ich die erste geplante Station dieser Reise erreicht. Ich sitze zwischen Canada Place und Seabus Terminal an der Uferbefestigung, lausche dem Plätschern des Wassers und lasse mich von der Aufführung der Großstadtlichter fesseln. Gegenüber glitzert in der gerade fortschreitenden Dämmerung North Vancouver von Minute zu Minute mehr. Ich habe keine Lust aufzustehen, aber die Suche nach einer Unterkunft steht noch an. Da ich für heute von den Bussen genug habe, entfällt die Gegend um die westliche 4st Avenue, also bleiben noch Gastown oder Downtown zur Wahl. Ich entscheid mich für Downtown, marschiere die leichte Steigung Richtung Georgia Street hoch, wobei der Rucksack lästig im Rücken drückt. Deswegen biege ich schon nach zwei oder drei Kreuzungen in die nächste Querstraße. Ein paar Meter weiter lese ich über dem Eingang eines Backsteinbaus „Hotel“. Dem Gebäude sieht man sein Alter an und das Gestell aus Feuerleitern wirkt wie ein riesiger Käfig. Der Empfangsbereich ist gefüllt mit Plüsch und angejahrten Pseudo-Antiquitäten, was wohl ein seriöses und nobles Bild abgeben soll. Egal, der Preis ist OK, ich checke ein. Wie vermutet, hört der „Glanz“ der Empfangshalle schon im Fahrstuhl auf. Quietschend befördert der mich in den dritten Stock. In seinen durch abgeblätterten Lack gemusterten Wänden suche ich Figuren. Die Fenster meines Zimmers gehen in den Hof hinaus. Ich ziehe der Stuhl zum Fenster, öffne es, ein angenehmer Zug bringt die frische Abendluft in den Raum. Plötzlich ist diese unbändige Lust nach einer Zigarette da, aber auf Reisen rauche ich ja nicht.

11Mai
2006

Fensterplatz

Es ist gut, auf den langen Strecken einer Weltreise einen Fensterplatz zu haben. Dann lässt sich herausschauen und das gerade Erlebte, zieht noch einmal vorbei oder die Gedanken fragen sich, was es als Nächstes zu erleben gibt.
Workplace-2
Manchmal holt einen die Welt jenseits der Reiseroute ein. Selbst unterwegs, mag Brot erworben werden. Und die kleinen Steckpferde, wie das Verfassen politische Pamphlete zum Ärgern der provinziellen Prominenz und das Verfolgen unglaublich wichtiger Sportereignisse, wollen auch gepflegt werden.

10Mai
2006

Claire (30 days - 7)


Der Duft von frisch aufgebrühten Kaffee weckt mich. Ich sehe sie mir abgewandt an der kleinen Küchenzeile stehen. Sie trägt wieder das karierte Flanellhemd. Nur das Flanellhemd. Ihr Po schaut unter dem Hemd hervor. Ich merke, wie sich bei mir eindeutige körperliche Veränderungen in der Hüfte einstellen. Sie dreht sich um und kommt mit zwei Kaffeebechern auf mich zu. Ihre zersauste Mähne ist bezaubernd. Sie setzt sich zu mir auf die Bettkante, reicht mir eine der Tassen und lächelt mir ein „Good Morning“ entgegen. Der Wecker neben dem Bett zeigt 6:32 Uhr an. Meine Gedanken fangen an, sich zu drehen. Ich werde etwas unruhig. Um 8:00 Uhr soll der Bus nach Prince Rupert fahren, den ich nicht verpassen darf, um mit der heutigen Fähre nach Vancouver Island zu kommen. Mein Gepäck steht noch im Hotel. Sie hat meine aufkeimende Unruhe bemerkt, streicht mir über den Rücken und sagt, dass ich nicht hektisch werde solle, sie wird mich zur Fähre fahren. Sie rutscht zu mir unter die Decke. Es bleiben mir noch zwei Stunden mit Claire.

Als ich mich nach meiner ersten Nacht in Stewart beim Wirt des Stewart Hotels nach Bussen, die nach Prince Rupert fahren, erkundigte, erfuhr ich, dass die Fähre erst heute wieder ablegt. So ganz unrecht war mir diese Information nicht. Nach den vielen Stunden der letzten Tage, die ich lediglich mit dem Transport meines eigenen Körpers beschäftigt war, erschien mir das Verweilen für zwei Tage an einem Ort als passende Ruheeinheit. Auf Nachfrage erhielt ich vom Wirt ein etwas größeres und komfortableres Zimmer zugewiesen. Der Komfort bestand aus einem Tisch und einer eigenen Duschkabine. Den Tag habe ich dann auf nicht rekonstruierbare Weise im Ort totgeschlagen. Stewart unterscheidet sich nicht wesentlich von Dawson City, eine 2000-Seelengemeinde mit zwei dutzend Läden, die etwas schläfrig abseits der Welt vor sich hin lebt. Der Tourismus hat hier einen noch geringeren Stellwert, obwohl das Umland wesentlich abwechselungsreicher als in Dawson City ist.

Am Abend begab ich mich wieder in die Gaststube des Hotels. Meinen Hang zu Gewohnheiten folgend ging ich zielstrebig auf den Platz zu, den ich schon am Vorabend eingenommen hatte und bemerkte dann, dass da die Frau mit der Schramme auf der Wange saß. Sie trug diesmal ein T-Shirt, das ihren sportlichen Körper betonte. Etwas zögerlich fragte ich, ob der Platz neben ihr frei sei. „Setz’ Dich, Fremder“, antwortete sie mit leicht witzelnder Betonung. Schnell und unkompliziert entwickelte sich ein entspanntes Gespräch. Sie wollte wissen, wieso ich um diese Jahreszeit Stewart besuche. Ich schilderte meine Reise der letzten Tage und meinen Plan, die Welt zu umrunden. Claire ist in Stewart geboren. Sie erzählte, dass sie von Juni bis September in Banff und Jasper für eine große Reisegesellschaft als Guide arbeitet. Damit verdient sie ihr Jahreseinkommen. In den restlichen Monaten lebt sie in ihrem Heimatort, nimmt manchmal einen zusätzlichen Job als Guide an und nimmt sich Zeit, um selbst auf Reisen zu gehen. Wir tauschten einige Reiseanekdötchen aus und plötzlich waren fast vier Stunden vergangen. Als ich mich in mein neues Zimmer zurückzog, merkte ich, wie mir die Stimme dieser Frau in den Ohren haften blieb.

Natürlich trafen wir uns gestern Abend wieder im Stewart Hotel. Verabredet hatten wir uns nicht, aber als ich mich in den Gastraum begab, ging ich davon aus, sie wieder zu treffen. Das Gespräch wurde persönlicher. Sie erzählte von einer Beziehung mit einem Kollegen, die im letzten Herbst zu Ende gegangen war. Der Job und die Distanzen des Landes hatten nach und nach Barrieren aufgebaut, so dass es irgendwann nicht mehr gut ging. Auch ich erzählte von meiner letzten Trennung. Dann kamen wir auf unsere Eltern zu sprechen. Ihre sind schon verstorben. Sie hat ein kleines Häuschen geerbt, was auch der Grund ist, warum sie nach wie vor in Stewart lebt. Als ich fragte, wie groß das Haus ist, sagte sie, „Komm’ mit, ich zeig’ es Dir.“

Kurze Zeit später stand ich in ihrem Reich. Das Haus besteht im Wesentlichen aus einem großen Livingroom, in dem eine kleine Küchenzeile abgetrennt ist. Es gibt noch zwei weitere kleine Räume. Einen hat sie sich als Arbeitszimmer eingerichtet, der andere dient als Abstellkammer. Über die moderne Einrichtung war ich überrascht. Besonders die gerahmten, hochwertigen Kunstdrucke von abstrakten Bildern hätte ich hier nicht erwartet. Sie öffnete eine Flasche Wein und erzählte, dass moderne Kunst ein Hobby von ihr sei und sie auch im Internet an Online-Seminaren über Kunst teilnimmt. Sie plane sogar, wenn sie den Job als Guide nicht mehr machen will, eine kleine Kunsthandlung in einem der Touristenzentren der Rockies aufzumachen. Ihre aufgeschlossene lockere Art verbannten die leichten Anspannungen, die sich erfahrungsgemäß in solchen Situationen bei mir melden, vor die Tür.

Wir saßen gemeinsam auf einem Sofa, schlürften den Wein und zu dem Gespräch gesellten sich allmählich „zufällige“ Berührungen. Die Berührungen nahmen zu und der verbale Austausch etwas ab. Ab einem gewissen Punkt kamen mir die Kondome, die in meinem Reisegepäck im Hotel lagen, in den Sinn. Da meldete sich dann doch eine etwas deutlichere Anspannung. Als könne sie Gedanken lesen, beugte sie sich in dem Moment vor, zog eine Schublade auf und forderte mich angrinsend auf, hineinzuschauen. Mittlerweile hatten wir uns der letzten Kleidungsstücke entledigt. Ausgiebig gaben wir uns dem sinnlichen Spiel der gegenseitigen Erkundung her. Der Geruch ihrer Haut lies mich an einen bemoosten Waldboden denken. Hatte sie in den unzähligen Stunden, die sie im Freien verbracht hat, diesen Geruch angenommen? Hier und da entdeckte ich ein paar Narben, in der Mitte über ihrer Scham fand ich einen kleinen Leberfleck. Im Zentrum ihrer kleinen, festen, leicht asymmetrischen Brüste thronten zwei dunkle, wunderschöne Warzen. Kleine Brüste konnten mich schon immer halb um den Verstand bringen. In ihr zu versinken, war wie ein Bad im tropischen Meerwasser, bei dem man von den umgebenden Wellen und der Wärme nicht genug bekommen kann.

9Mai
2006

Stewart (30 days - 6)


Ich sitze an der kürzeren Seite der über Eck angeordneten Theke, was mir gute Sicht in den großen Raum bietet. Guter Platz. Ich kann es nicht leiden, das Lokal im Rücken zu haben. Pat hat mich hier vor einer Stunde abgesetzt. Hier, das ist das „Stewart Hotel“, wie könnte es auch anders heißen? Hier das ist die Synthese aus Bahnhofskneipe, Vereinsheim, Jugendherberge, Kontakt- und Jobbörse, Stundenhotel, Versammlungshalle, Arbeiterwohnheim, Pommesbude, Familienrestaurant … eben die geballte Infrastruktur, die ein Ort wie Stewart benötigt. Das Stewart Hotel ist ein Familienbetrieb. Der Wirt steht hinter dem Tresen und ruft durch den offenen Durchgang zur Küche dahinter seiner Frau zu, was geordert wurde. „Mary, big Burger!“, hallt es dann durch den saalartigen Raum. „Yep!“, tönt es zurück. Seine beiden pubertierenden Töchter bedienen mit gelangweilten Blicken die Tische.

Pat hatte schon an der Busstation auf mich gewartet, als der Greyhound pünktlich in Watson Lake eintraf. Nur in Etappen hatte ich in dieser Nacht geschlafen. Die Sitze des riesigen Busses waren zwar bequem, aber die Stotterattacken des Motors und Steinschläge sorgten für eine unruhige Nacht. Ich war froh, dass Pat vorschlug, erstmal zu frühstücken und nicht sofort loszufahren. Das Wort „Highway“ sollte nämlich nicht mit „Bundesstraße“ oder „Autobahn“ übersetzt werden, es steht lediglich für eine öffentliche Straße. Der bauliche Zustand der Strecke kann sehr unterschiedlich ausfallen. Der Cassier Highway, der Stewart und Watson Lake miteinander verbindet, hat den Ruf besonders spektakulär und wild zu sein. Gegenüber der Busstation war ein Motel, in dem wir ein Frühstück bekamen. Beim wohltuenden Kaffee machten wir uns bekannt. Pat, ein Mittfünziger, vollbärtig und von hagerer Gestalt befragte mich neugierig nach Internetgeschäften, nachdem ich erzählt hatte, mit Computern zu arbeiten. Er selbst handelt mit Allem, was mit Fischen und Jagen zu tun hat, nur Handfeuerwaffen verkauft er nicht, dafür hat er „leider“ keine Lizenz. Am Wochenende macht er mit den Saisonarbeitern der Holz-Gesellschaften rund um Stewart sein wichtigstes Geschäft. Jetzt denkt er über einen Internetshop nach, um seine breit verstreute Kundschaft noch besser bedienen zu können.

Die Fahrt über den Cassier Highway war wirklich beeindruckend. Die Straße schlängelt sich in einem ständigen Auf und Ab durch die Berge und Täler nach Südwesten. Besonders auf den Passhöhen eröffnen sich teilweise grandiose Panoramas. An einigen Stellen ist die Fahrbahn weg gebrochen oder halb durch Erdrutsche verschüttet. Ich wunderte mich, wie Pats breiter Jeep an diesen Passagen dennoch vorbei kam. Am Mittag machten wir an einem Punkt Rast, der eine besonders gute Aussicht über die Gebirgszüge bot. Plötzlich wurde Pat sehr ruhig und zeigte den Abhang hinunter. Ich sah in ein paar hundert Meter Entfernung zunächst nur etwas Dunkles im Unterholz verschwinden. Einen Moment später tauchte es wieder aus dem Gestrüpp auf und war deutlich zu erkennen. Ein Bär. Pat meinte, es sei gesünder jetzt weiter zu fahren. Er erzählte, dass die Stelle ein beliebter Rastplatz sei, was zur Folge hat, dass immer ein paar essbare Reste zurückbleiben. Entsprechend beliebt sei die Stelle daher auch bei den Bären.

Die Dämmerung setzte schon ein, als wir in Stewart ankamen. Der Anblick des Stewart Hotels, aus dem kaltes Neonlicht aus den mit gräulichen Stores gezierten Fenstern schimmerte, war ein herber Kontrast zur zuvor durchfahrenen Landschaft. Entsprechend dem ersten Eindruck war auch das Zimmer, das ich bezog. Ein Bett, ein paar an die Wand montierte Bretter als Ablagefläche, eine Holzstange, die wohl den Kleiderschrank darstellen sollte. Tatsächlich gab es auch einen Stuhl, der verlassen mitten im Raum stand. Kurzum, das Gefühl, in einer Gefängniszelle zu sitzen, stellte sich zwangsläufig ein. Ich stellte daher nur mein Gepäck ab und ging hinunter in den Schankraum, um den Tag mit einem Bier ausklingen zu lassen.

Jetzt sitze ich immer noch hier, da ich den Aufenthalt in meiner Zelle auf die reine Schlafzeit reduzieren will. Am Tresen sitzen fast nur Männer, die meistens gebannt den Fernseher mit der Sportsendung verfolgen. Baseball, ich werde dieses Spiel nie verstehen. Am anderen Ende der Theke sitzt eine Frau. Sie ist Anfang Dreißig und trägt wie alle hier eine kakifarbende Arbeitshose und darüber ein kariertes Flanellhemd. An einem Tisch spielen zwei ältere Ehepaare Karten, an einem anderen zockt eine Herrenrunde. Um den Billardtisch hat sich eine Gruppe Jugendlicher versammelt. Der Typ neben mir erzählt mir gerade seine Familiengeschichte. Auf seine Fragen, was ich hier mache und woher ich komme, hatte ich eintönig und redefaul mit „Traveling“ und „Germany“ geantwortet. Das reichte aus, um von ihm als „great“ eingestuft zu werden und da ein Urgroßvater von ihm in Salzburg geboren war, sah er den Bezug zu mir und fing an zu erzählen. Ich tarne diesen Monolog als Dialog indem ich ungleichmäßig ein Kopfnicken oder ein „oh“ begleitend von mir gebe. Mein Blick bleibt zwischendurch immer wieder bei der Frau am anderen Ende des Tresens hängen. Ihr Gesicht, was durch einen sehr dichten halblangen Haarschopf gerahmt ist, ist attraktiv. Es hat diese Attraktivität, die so jenseits der Ideale aus den Hochglanzmagazinen ist, schwer zu sagen, ob es die Augenfarbe ist oder die einzelnen Sommersprossen oder gar die deutliche Schramme auf der Wange. Ich zucke fast etwas zusammen, als ich bemerke, dass ihr meine Blicke nicht entgangen sind. Dann sehe ich aber das Schmunzeln, was über ihr leicht nach unten geneigtes Gesicht in diesem Moment huscht. Ein schönes Lächeln.
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heldentenor - 16. Sep, 17:43
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ich glaube, dies ist ein veganerblog hier. gestern...
rosmarin - 31. Jul, 19:52
ok.... ich hab in meiner...
ok.... ich hab in meiner verzweiflung versucht, in...
rosmarin - 23. Jul, 01:05
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2005-11-21 19:44

Zuletzt aktualisiert:
25. Okt, 13:37

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